Deutschlands größtes Raubtier
Neben dem Seehund (Phoca vitulina) ist die Kegelrobbe die zweite heimische Robbenart in der deutschen Nordsee. Seit Mitte der Neunziger hat sich die Kegelrobbe (Halichoerus grypus) wieder dauerhaft in der deutschen Nordsee angesiedelt. Sehr beliebt ist Helgolands vorgelagerte Insel, die „Düne“. Zur Geburten- und Paarungszeit im Winter und dem Fellwechsel im Frühjahr können dort besonders viele Tiere beobachtet werden. Helgoland gilt aber das ganze Jahr über als wichtiger Rast- und Liegeplatz.
Was sind Robben?
Robben (Pinnipedia) sind Meeressäugetiere, die sich aus fleischfressenden Landraubtieren entwickelt haben. Im Laufe der Evolution haben sie sich an ein Leben im Wasser angepasst. Charakteritische anatomische Merkmale dafür sind beispielsweise: der torpedoförmige Körperbau, die zu Flossen umgewandelten Gliedmaßen, die verschließbaren Nasen- und Ohrenöffnungen, sowie eine dicke Speckschicht (der sogenannte Blubber). Durch physiologische Anpassungen sind die als Säugetiere in der Lage lang und Tief zu tauchen. Was essentiell bei der Nahrungssuche ist.
Robben werden in drei Familien unterteilt. Die Familie der Hundsrobben umfasst 19 Arten, die der Ohrenrobben 15 Arten und die Walrosse sind durch nur eine Art vertreten. Anhand bestimmter Merkmale können die einzelnen Robbenarten diesen drei Familien zugeordnet werden.
Die beiden heimischen Robbenarten, der Seehund und die Kegelrobbe, gehören zu den Hundsrobben (Phocidae). Diese haben kurze Vorder- und Hinterflossen. Die Hinterflossen können aufgrund der Beckenstellung nicht mehr unter den Körper gebracht werden und sind für die Fortbewegung an Land unbrauchbar. Im Wasser dienen sie den Tieren als Schwimmantrieb.
Kegelrobben zeichnen sich durch ihren großen, langgezogenen Kopf und die namensgebenden kegelförmigen Zähne aus. Zudem weisen sie einen starken Geschlechtsdimorphismus auf, d.h. Männchen und Weibchen unterscheiden sich deutlich in Aussehen und Größe. Ausgewachsene Männchen können bis zu 2,30 m lang und knapp 350 kg schwer werden. Weibliche Kegelrobben sind kleiner und leichter. Sie können eine Länge von 1,90 m und ein Gewicht von 150 kg erreichen.
Anhand ihrer Fellfärbung kann man die Geschlechter unterscheiden: Männchen haben ein dunkles Fell mit hellen Flecken, Weibchen sind hell mit dunklen Flecken.
Verbreitung und Bestand
Kegelrobben (Halichoerus grypus) leben in den temperierten bis subarktischen Gewässern des Nordatlantiks und der Ostsee. Der weltweite Bestand beläuft sich auf ca. 632.000 Tiere (2016 IUCN Red List assessment), der sich in drei Populationen über die Nordhalbkugel verteilt die westatlantische Population vor Kanada, die ostatlantische in den Küstengewässern Nord-West-Europas und die baltische Population der Ostsee.
Die Kegelrobbe ist, neben dem Seehund, unsere zweite heimische Robbenart.Einst dominierte sie das gesamte Wattenmeer und war sogar weiter verbreitet als der Seehund. Doch mit der Besiedlung der Küsten und der friesischen Inseln wurden die Tiere immer weiter aus ihrem Lebensraum verdrängt und durch zunehmende Jagd am Ende des 16. Jh. nahezu ausgerottet. Erst Mitte des 20. Jh. wurden Sichtungen vor der niederländischen, deutschen und dänischen Küste wieder häufiger und heute haben die Tiere das Wattenmeer zurückerobert. Mittlerweile haben sich drei Kolonien gebildet. Die erste etablierte sich in den 1960er Jahren in Schleswig-Holstein auf den Knobsänden, einer Reihe von Sandbänken westlich von Amrum. Eine zweite Kolonie entstand um 1980 im niederländischen Wattenmeer auf einer Sandbank zwischen den Inseln Vlieland und Terschelling und ist heute immer noch die größte der drei Kolonien. In den letzten Jahren hat sich die Helgoländer Düne als ein weiterer wichtiger Rast- und Wurfplatz außerhalb des Wattenmeeres in Schleswig-Holstein entwickelt, und auch hier haben sich einige Tiere dauerhaft angesiedelt. Obwohl sich die Situation der Kegelrobbe im Wattenmeer stetig verbessert, gelten die Tiere hier nach wie vor als selten und stark gefährdet.
Während Zählflügen zur Erfassung der Kegelrobbenpopulation im Frühjahr 2017 wurden insgesamt 5.445 Kegelrobben im gesamten Wattenmeerbereich gezählt. Nach wie vor halten sich die meisten Tiere (4.045) in den niederländischen Wattenmeerbereichen auf. Gleich darauf folgt zahlenmäßig Helgoland mit 616 Tieren. Die restlichen deutschen sowie dänischen Wattenmeerbereiche weisen weitaus weniger Tiere auf.
Das Kegelrobben-Jahr
Ungefähr 80% ihres Lebens verbringen Kegelrobben im Wasser. Lediglich für die Geburt und Aufzucht, die Paarung sowie den Fellwechsel benötigen sie einen Platz an Land.
Kegelrobben gebären ihre Jungtiere im Winter. Die genaue Wurfzeit variiert je nach Verbreitungsgebiet. In Schleswig-Holstein werden die Tiere hauptsächlich im November und Dezember mit einem Gewicht von 10 bis 15 kg geboren. Die Jungtiere kommen in einem cremeweißen, langen Embryonalfell (Lanugo) auf die Welt, das sie vor der winterlichen Kälte schützt. Obwohl Kegelrobben direkt nach der Geburt schwimmen können, meiden sie in den ersten Lebenswochen die kalte Nordsee, da sich das Embryonalfell im Wasser vollsaugen würde. Zum Einen ist das Schwimmen mit einem vollgesogenen Fell sehr energiezehrend, zum Anderen isoliert das Fell die Jungtiere, die noch nicht ausreichend Kälteschutz in Form des Blubbers (bis zu 10 cm dicke isolierende Fettschicht unter der Robbenhaut) haben.
Ungestörte und hochwasserfreie Ruheplätze sind für die Tiere somit überlebensnotwendig, da sie bis zu fünf Wochen nach der Geburt an Land bleiben und weit oben am Strand oder in den Dünen liegen. Die Mütter erkennen ihren Nachwuchs am Geruch und den Rufen. Sie kehren in den ersten zwei bis drei Wochen regelmäßig zu ihren Jungen zurück, um sie zu säugen. Die Muttermilch hat einen Fettgehalt von ca. 53%. Nachdem das Jungtier abgestillt ist, kann es bereits bis zu 50 kg wiegen. Schon zum Ende der Säugezeit setzt bei den jungen Kegelrobben der Fellwechsel ein, bei dem das Embryonalfell durch das erste Erwachsenenfell ersetzt wird. Erst nach dem Fellwechsel verlassen sie ihre Wurfplätze, um in der Nordsee auf Nahrungssuche zu gehen. Kegelrobben werden in einem Alter von vier bis sieben Jahren geschlechtsreif, sind aber erst mit 10 bis 15 Jahren ausgewachsen. Die Fortpflanzung schließt sich an die Geburten- und Säugezeit an. Schon einige Zeit vor den ersten Geburten versammeln sich beide Geschlechter an den Wurfplätzen. Während die Weibchen ihre Jungen zur Welt bringen und säugen, halten die Männchen Abstand zueinander. Bereits nach der Geburt der Jungtiere beginnen die Bullen, Territorien mit mehreren Weibchen abzugrenzen. Diese werden gegen Rivalen verteidigt, und so haben nur die größten und stärksten Männchen die Chance, sich fortzupflanzen. Sobald die Weibchen ihre Jungtiere abgestillt haben, kommt es bei den Kegelrobben zur Paarung, die sowohl an Land als auch im flachen Wasser stattfinden kann. Die Embryonalentwicklung im Mutterleib setzt nicht sofort nach der Befruchtung ein, sondern erst nach einer ca. dreimonatigen Keimruhe. Die Tragzeit dauert danach noch etwa acht Monate, sodass die Jungtiere jedes Jahr ungefähr zur gleichen Zeit geboren werden. Während der Fortpflanzungsperiode fressen Kegelrobben nicht und magern stark ab. Diesen Gewichtsverlust müssen sie bis zum nächsten Herbst ausgleichen, denn auch der auf die Paarungszeit folgende Fellwechsel zehrt an den Energiereserven. Während die Weibchen hiermit bereits im Februar beginnen, setzt der Fellwechsel bei den Männchen erst im März / April ein.
Kegelrobben-Weibchen können bis zu 35 Jahre alt werden, Männchen erreichen meist nur ein Alter von 25 Jahren. Das älteste Tier in Gefangenschaft wurde 45 Jahre alt.
NAHRUNG
Kegelrobben sind Beutegreifer und ernähren sich hauptsächlich von Fisch. Sie sind Nahrungsopportunisten und fressen den Fisch, den sie am leichtesten fangen können, und der in ihrem Gebiet am häufigsten vorkommt. In der Nordsee stehen viele verschiedene Fischarten auf ihrem Speiseplan, z.B. Plattfische, Sandaale, Heringe, Makrelen oder Dorsche. Hin und wieder fressen die Tiere auch Tintenfische und Krebstiere und es liegen Beobachtungen vor, dass Kegelrobben gelegentlich an der Wasseroberfläche schwimmende Seevögel erbeuten.
GEFÄHRDUNG & SCHUTZ
Kegelrobben haben im Wattenmeer keine natürlichen Feinde. Die einzige Bedrohung, die für sie besteht, geht vom Menschen aus. Vor Jahrhunderten wurden sie im Wattenmeer durch die Jagd fast ausgerottet. Heute gibt es eine Reihe anderer Gefährdungen, die die Tiere und ihren Lebensraum bedrohen. Eine offensichtliche Gefahr besteht durch Meeresmüll in jeglicher Form. Tiere, die sich beispielsweise in sogenannten Geisternetzen verfangen und schlecht heilende Wunden davon tragen. Eine andere nicht sofort auffällige und deswegen unterschätzte Gefahr stellt die Gewässerverschmutzung dar. Da die Kegelrobbe am Ende der Nahrungskette steht, reichern sich Umweltgifte in ihrem Körper an. Dies kann u.a. zu Unfruchtbarkeit, Immunschwäche, Knochen- und Organveränderungen führen.
Eine weitere Gefahr für die im Wattenmeer lebenden Kegelrobben besteht durch den Lebensraumverlust. Die Tiere sind für eine erfolgreiche Jungenaufzucht auf Sandbänke oder Strände angewiesen, die auch bei Hochwasser nicht überflutet werden. Doch leider sind solche Plätze im Wattenmeer selten geworden. Der Jungnamensand, den die Kegelrobbe im Schleswig-Holsteinischen Wattenmeer als Wurfplatz nutzt, verliert von Jahr zu Jahr immer mehr an Höhe und wird mittlerweile bei Sturmflut überspült. Dadurch müssen die Mütter mit ihren Jungtieren auf die nahegelegenen Strände von Sylt und Amrum ausweichen, die allerdings auch im Winter nicht frei von Störungen durch Menschen sind. Die zweite in Schleswig-Holstein vorkommende Kegelrobbenkolonie auf Helgoland wächst weiter an. Durch eine Reihe von gesetzlichen Regelungen sind die Kegelrobben im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer geschützt. Die meisten Ruhe- und Wurfplätze der Seehunde und Kegelrobben liegen innerhalb der Schutzzone 1, die weder befahren noch betreten werden darf. Dies ist besonders in der Hauptgeburten- und Säugezeit wichtig. So kann es z.B. auch im Winter zu gelegentlichen Strandsperrungen auf Sylt und Amrum kommen, die gewährleisten sollen, dass die Jungtiere und ihre Mütter an ihren Ruheplätzen am Strand oder in den Dünen nicht gestört werden.
Auch auf Helgoland ist während dieser Zeit besondere Vorsicht geboten. Während der Geburtenzeit liegen die Tiere dort Tiere häufig auf den Wegen oder in Durchgängen. Für einen störungsfreien Aufenthalt für Sie und die Tiere bitten wir um Beachtung der Wegeführung sowie der Anweisungen der Rangerin, des Seehundjägers und des betreuenden Naturschutzverbandes Jordsand vor Ort.